Infoseite Zuwanderungsgesetz und Anti-Terror-Gesetze
Zusatzinfo 38
Erstellt: 21.03.2005


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Niederschmetternde Erfahrungen mit dem Zuwanderungsgesetz

Wurde uns von der Politik vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes noch eine "Abschaffung der Kettenduldungen" und Legalisierung des Aufenthalts eines relevanten Teils der rund 15.000 in Niedersachsen langjährig geduldeten Flüchtlinge versprochen, müssen wir jetzt feststellen, dass das neue Recht in einer Weise ausgelegt wird, die auf eine Verdrängung und Vertreibung der Geduldeten hinausläuft. Dies gilt insbesondere für den Personenkreis der ethnischen Minderheiten aus dem Kosovo. Das Vertreibungsprogramm wird auf drei Ebenen durchgeführt:

1) Flüchtlinge, die als Minderheitenangehörige aus dem Kosovo nicht abgeschoben werden dürfen, weil die UNMIK derartige Abschiebungen wegen der ständigen Angriffe auf Minderheitenangehörige untersagt hat, erhalten keine Aufenthaltserlaubnis, sondern werden darauf hingewiesen, dass sie angeblich "freiwillig" zurückkehren können. In teilweise brüskierenden, die Betroffenen in Angst und Schrecken versetzenden Schreiben werden die Betroffenen zur Ausreise aufgefordert und erhalten die Ankündigung einer Abschiebung, obwohl diese wegen der allgemeinen Sicherheitslage für Minderheiten im Kosovo derzeit gar nicht möglich ist. Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis werden rundweg abgelehnt. Alle Fachleute und Menschenrechtsorganisationen halten die Rückkehr für Minderheitenangehörige für unzumutbar. Auf die Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr kommt es nach Auffassung des niedersächsischen Innenministeriums aber nicht an, entscheidend sei allein die technische Möglichkeit einer Rückkehr. Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage liegen bislang nicht vor.

2) Flüchtlinge erhalten unter Hinweis auf § 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung von der Ausländerbehörde ein Arbeitsverbot, selbst wenn sie jahrelang gearbeitet haben. Solche Arbeitsverbote sind danach rechtlich zulässig, wenn "bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können". In der Praxis beobachten wir, dass in einigen Landkreisen den geduldeten Flüchtlingen flächendeckend Arbeitsverbote in den Pass gestempelt werden. In einer ersten Entscheidung hat das VG Hannover das von der Ausländerbehörde verhängte Arbeitsverbot gegen eine geduldete Frau aus Syrien für rechtswidrig erklärt (Beschluss vom 14.3.2005, Az. 2 B 1087/05).

3) Flüchtlinge erhalten auch nach dreijährigem Aufenthalt oft nur gekürzte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, weil sie die Dauer ihres Aufenthalts angeblich "rechtsmissbräuchlich" selbst beeinflusst haben. Trotz einer Reihe von anderslautenden Entscheidungen der Sozialgerichte bleiben viele Ausländerbehörden bei ihrer Praxis, diesen Vorwurf auch gegenüber Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo zu erheben. Es ist überfällig, dass auch das nds. Innenministerium die Entscheidungspraxis der Sozialgerichte in Hildesheim, Lüneburg, Braunschweig und Hannover zur Kenntnis zu nimmt und die Leistungskürzung für ethnische Minderheiten aus dem Kosovo per Erlass unterbindet.

Nachfolgend dokumentieren wir einen Artikel aus der Peiner Allgemeinen Zeitung vom 15.3.2005 als aktuelles Beispiel. Anders als in dem Artikel beschrieben, kommt es nicht nur in Peine, sondern in ganz Niedersachsen zu derartigen ausländerbehördlichen Entscheidungen.

gez. Kai Weber

Niedersächsischer Flüchtlingsrat
Langer Garten 23 B
31137 Hildesheim
Tel. 05121 - 15605
Fax 05121 - 31609



Nachfolgend ein Artikel aus der PAZ vom 15.3.2005:

" Ich will meine Familie selbst ernähren".

Ausländerbehörde erteilt Hasan Berisha nach vier Jahren keine Arbeitserlaubnis mehr.

Hasan Berisha versteht die Welt nicht mehr. Im Sommer 1999 floh der vierfache Familienvater aus dem Kosovo nach Deutschland. Seit sechs Jaren wird er hier geduldet, seit März 2001 arbeite er als Kfz-Mechaniker in Broistedt. Nun wurde ihm eine Arbeitserlaubnis vom Kreis verwehrt. Grund: Er kann freiwillig ausreisen.

Von Monika Keil

Lengede -Broistedt. Bisher war es immer dasselbe Spiel: Kurz bevor der Duldungszeitraum von Hasan Berisha endete, beantragte er bei der Arbeitsagentur eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis und bei der Ausländerbehörde die Verlängerung der Duldung. In der Vergangenheit funktionierte dieses Prozedere reibungslos. "Ich gehöre als Ashali einer ethnischen Minderheit an und meine Familie würde in meiner Heimat verfolgt werden", sagt Berisha.

Seit Jahresbeginn muss der gelernte Mechaniker beide Verlängerungen nur noch bei der Ausländerbehörde des Kreises beantragen. Die erteilt die Arbeitserlaubnis plötzlich nicht mehr, weil Hasan Berisha eine Ausreise jederzeit möglich sei. "Als Kosovo-Albaner kann er jederzeit   freiwillig wieder in seine Heimat zurückgehen", erklärt Achim Effenberger, Fachdienstleiter Ordnungswesen beim Landkreis auf Anfrage der PAZ. "Herr Berisha kann gegen unseren Bescheid innerhalb eines Monats Klage beim Verwaltungsgericht erheben", teilt Effenberger mit, dann werde das Gericht über die Rechtmäßigkeit entscheiden.

Hasan Berisha hat bereits Einspruch erhoben, einen Anwalt eingeschaltet und sich an den Peiner Caritas -Verband   gewandt. Sozialbearbeiter Udo Fliegner ist für die Beratung von Migranten zuständig und über das Vorgehen des Kreises verwundert. "Die rechliche Grundlage ist dieselbe geblieben und meinen Recherchen ist der Landkreis Peine in Niedersachsen der einzige, der das Gesetz nun auf diese auslegt", sagte Fliegner im Gespräch mit der PAZ. Die Arbeitserlaubnis könne nur dann verwehrt werden, wenn der geduldete Ausländer über seine Identität getäuscht, also beispielsweise den Pass weggeworfen hätte oder "aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können".

"Ethnische Minderheiten sind in ihrer Heimat jedoch nicht sicher und deshalb kann Hasan Berisha nicht freiwillig ausreisen", sagt Fliegner, der weiß, dass der Fall Berisha im Landkreis kein Einzelfall ist. Er weist darauf hin, dass geduldete Ausländer ohnehin nur dann arbeiten, wenn sie keinem anderen einen Arbeitsplatz wegnehmen.

Nach PAZ - Informationen kommt es bei der Frage der Verlängerung der Arbeitserlaubnis nicht   auf die Ausreisemöglichkeit an, sondern ob eine Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Der Lengeder hat nun keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, sondern erhält Bezüge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, auf die er gerne verzichten würde. " Ich will mein eigenes Geld verdienen und meine Familie ernähren, seit zwei Wochen sitze ich schon zu Hause herum und habe nichts zu tun", sagt der 41-Jährige. Noch könne er in seiner Firma wieder anfangen, "aber je mehr Zeit vergeht, desto schlechter stehen meine Chancen". Jetzt muss er zunächst die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in   Braunschweig abwarten und sich die Zeit am Computer und beim Radfahren vertreiben.




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Kontakt: Georg Classen - Divi Beineke